Fachhochschule München

Marco Dern

DEUTSCHE BANKEN IM INTERNET

Eine Bestandsaufnahme

- Seminararbeit -


I. Einleitung

Das Internet war lange Zeit nur für Firmen der Technik- und Computerbranche attraktiv. Doch mit der zunehmenden Kommerzialisierung drängen seit ein paar Jahren immer mehr Dienstleistungsunternehmen in das Netz.

Auch die Banken erkennen das enorme Potential, das in dem weltumspannendem, auf 30 Millionen Teilnehmer geschätztem Datennetz steckt. Jedoch agieren in Deutschland die Bankstrategen noch sehr vorsichtig. Das Steckpferd war und ist bis jetzt Btx/Datex-J/T-Online, das mit seinen fast einer Million Teilnehmern immer noch der größte kommerzielle Online-Dienst in Deutschland ist. Für einen Großteil der Kunden wird das Homebanking wohl aber der einzige Grund für ihre Teilnahme an T-Online sein. Eine potentielle, auch abwanderungsbereite Kundschaft wäre also vorhanden. Wieso also zögern die deutschen Banken mit ihrem Einstieg in den neuen Markt?

In dieser Arbeit soll eine Bestandsaufnahme der momentanen Aktivitäten erfolgen und dargestellt werden, warum derzeit im Internet noch keine wirklich nutzbaren Dienstleistungen deutscher Banken existieren.

II. Bestandsaufnahme

In den USA hat vor kurzer Zeit die erste Bankfiliale im Internet eröffnet. Das sogenannte WealthWEB der New Yorker Bank Aufhauser & Co ermöglicht schon echte Transaktionen über das Netz und bietet außerdem ein internationales Angebot. Kunden der Bank haben kostenfrei Zugriff auf Daten professioneller Informationsanbieter wie Reuters und Dow Jones und können die erhaltenen Erkenntnisse gleich in per Modem abgelieferte Orders umleiten. Dafür nötig ist lediglich ein WorldWideWeb(WWW)-Browser der Firma Netscape mit einer Versions-Nummer 1.1 oder höher, der die entsprechenden Security-Funktionen bereits eingebaut hat. Zusätzlich muß beim Anbieter noch ein mit den nötigen Fähigkeiten ausgestatteter WWW-Server installiert sein. Man bekommt eine 9-stellige PIN (Personal Identification Number) und eine OSN (Order Security Number) zugeteilt und schon kann es losgehen.

Auch in Österreich gibt es schon erste Ansätze. Dort kann man vom WWW-Server der entsprechenden Bank direkt zu einer Telnet-Sitzung (zeichenorientiertes Terminal) springen, von der aus man dann das Konto - entsprechende Zugangsberechtigungen vorausgesetzt - T-Online-ähnlich führen kann. Kontostandsabfrage, das Anzeigen der letzten Buchungsvorgänge, Überweisungen sowie das Anlegen von Daueraufträgen sind zum Beispiel schon möglich.

Davon ist man hierzulande noch weit entfernt. Erst seit kurzer Zeit sind in Deutschland Banken überhaupt im Internet präsent. Die Hypo-Bank rühmt sich gerne, die erste deutsche Bank im Internet gewesen zu sein. Gelogen ist das nicht, da schon seit Mai 1995 eine Homepage existiert, auf welcher aber lediglich ein nichtssagender Text zu lesen war, daß dort demnächst ein Angebot zu finden sein würde. Mit solchen Aktionen gewinnt man natürlich keine Kunden. Kurze Zeit war ein Link zum Nordbereich der Bank vorhanden, bei der dann einige Informationen zur Bank im Allgemeinen sowie eine Übersicht der Ansprechpartner ebendieses Nordbereichs zu finden waren. Für den deutschlandweiten Kundenverkehr nicht gerade ausreichend.

Ein paar Tage vor Fertigstellung dieser Arbeit war es aber letztendlich soweit, daß dort auch ein bundesweites Angebot zu finden war. Diese Seiten gehen auf einen Hypo-Wettbewerb zurück, der im September 1995 gestartet wurde und die weitgestreute Anwenderschaft im Internet animierte, Web-Seiten für die Hypo-Bank so zu gestalten, wie sie sie sich vorstellten. Wertvolle Preise waren ausgeschrieben, und dementsprechend kann sich das Angebot optisch jetzt auch sehen lassen. Inhaltlich sind aber bisher nur mehr oder weniger interessante Informationen das einzige abrufbare Material.

Aber auch die meisten anderen schon mit Homepages im Internet vertretenen Banken können nicht gerade mit Attraktivität überzeugen. Noch ist für die sicherheitsbewußte Branche die rechtliche Situation einfach zu wenig abgeklärt. Wann ist ein Vertrag gültig? Welche endgültige Form braucht er? Wie lassen sich Unterschriften rechtswirksam realisieren, ohne daß Handschriftliches benötigt wird? Es liegt letztendlich am Gesetzgeber, diese und viele anderen Fragen endgültig zu beantworten.

Ebenfalls früh vertreten (seit 01.06.1995) war Deutschlands größtes Kreditinstitut, die Deutsche Bank. Auch die Deutsche Bank reklamiert für sich den Titel »erste deutsche Bank im Internet«, was zwar formal nicht richtig ist, jedoch in Anbetracht des monatelang dürftigen Angebots der Hypo-Bank durchaus so stehengelassen werden kann. Man kann zwar dort auch noch keine Transaktionen ausführen, jedoch sind die Seiten schon durchaus ansprechend gestaltet und erlauben das Abfragen von diversen Informationen über den Konzern, seine Tochtergesellschaften und einige seiner Produkte (für Privat- und Geschäftskunden). Es stehen aktuelle Mitteilungen der Bank bereit, und zu einem Portrait der Bank selbst kann man sich eine Begrüßungsrede des Vorstands als Audio-File anhören sowie einen begleitenden Video-Clip ansehen. Außerdem ist es möglich, ein Verzeichnis aller Niederlassungen im In- und Ausland, einige Notierungen aktueller Aktienkurse und eine individuelle Sparplan-Berechnung abzurufen. Das Angebot beläuft sich mittlerweile schon auf über 250 Seiten (ohne die Tochtergesellschaften, die ebenfalls über die Homepage zu erreichen sind). Nach eigenen Angaben hat man bereits ca. 5.000 Seitenzugriffe und ca. 30 EMail-Anfragen pro Tag, wobei die Anzahl ständig steigt.

Bald ist jedoch eine komplette Umstrukturierung des Gesamtkonzepts geplant, da man sich bei der Bank Gedanken macht, wie der User gezielt Informationen finden kann, ohne sich über den gesamten Menübaum herauf- und herunterarbeiten zu müssen. Außerdem werden mit externen Partnern derzeit Lösungsmöglichkeiten erarbeitet, wie sich tatsächliches Homebanking über das Internet realisieren läßt. Weitere aktuelle Informationen, die auch täglich aktualisiert werden können, sollen über bereits bestehende Systeme angeboten werden. Probleme bestehen jedoch noch bei der technischen Anbindung (machbar, aber unter teilweise beträchtlichem Zeitaufwand) sowie bei den rechtlichen Fragen zur Weitergabe der Informationen. Um den Kontakt zu den Usern gezielt weiter auszubauen, sollen außerdem weitere Möglichkeiten wie Diskussionsforen geschaffen werden.

Neben diesem Angebot der Muttergesellschaft bietet auch der jüngste Ableger der Deutschen Bank - die Bank24 - ein eigenes Informationsangebot im Netz der Netze. Die Direktbank, die ohne Filialen auskommt und somit auf moderne Kommunikationsmöglichkeiten angewiesen wäre, hat jedoch bis jetzt auf ihren Seiten auch noch nicht mehr Möglichkeiten zu bieten als ihre Konkurrenten. Der Kontakt mit den Kunden erfolgt noch fast ausschließlich über Fax und Telefon. Online kann man bisher außer Informationen abzurufen lediglich Produktkataloge bestellen und Beispielrechnungen für Sparpläne durchführen lassen.

Zwar ist ein weiterer Branchenprimus - die Dresdner Bank - bisher noch nicht mit einem eigenem Angebot vertreten, jedoch bietet die Investmenttochter DIT (Dresdner International Research Institute GmbH) seit August 1995 als erste deutsche Kapitalanlagegesellschaft bereits vielfältige Möglichkeiten um in den normalen Geschäftsbetrieb eingreifen zu können. So bietet das Investmentinstitut neben vielfältigen Informationen auch schon die Möglichkeit, Fonds interaktiv via Internet zu kaufen und Anteile wieder zu verkaufen. Dies ist bisher auf dem deutschen Markt einzigartig. Laut eigenen Angaben will man jedoch aufgrund der erst kurzen Präsenz im Netz erst einmal die Resonanz auf diese Initiative abwarten, bis über neue Möglichkeiten entschieden wird. Bei der DIT sieht man leider im Moment das Internet auch noch vorwiegend lediglich als eins von vielen Medien für die Marketing- und Vertriebsarbeit. Trotzdem kann man ihr den in Deutschland bisher gewagtesten Schritt in Richtung virtuelle Bank nicht absprechen.

Eine weitere Tochtergesellschaft der Dresdner Bank, die DIRI (Dresdner International Research Institute GmbH), hat ebenfalls schon Zugangsmöglichkeiten geschaffen. Das Unternehmen, das überwiegend Forschung auf dem Wertpapiersektor betreibt, bietet auf dem Information-Highway seit ein paar Wochen das sogenannte DORIS (DIRI Online Research Information Research) an. Damit hat es als erstes europäisches Researchunternehmen die Möglichkeit geschaffen, Kapitalmarkt-Researching auch im Internet zu betreiben. Dieses Angebot richtet sich wohl aber eher an den institutionellen Kunden als an den Privatmann. Jedoch kommen durch eine Reihe von Zusatzinformationen wie Pressemitteilungen und aktuelle Headlines auch hier die privaten Kunden nicht zu kurz. Bleibt noch zu sagen, daß dieses Unternehmen am Ende des Jahres 1995 in die Kleinwort Benson Research GmbH umgewandelt wurde und nun ein Tochterunternehmen des Investmenthauses Kleinwort Benson, London darstellt, das 1995 ebenfalls von der Dresdner Bank gekauft wurde. Aufgrund der laufenden Strukturmaßnahmen konnte man keine Informationen darüber geben, ob die Researchleistungen trotzdem weiterhin in DORIS oder generell im Internet zur Verfügung gestellt werden.

Weit über die üblichen Standardinformationen hinaus geht auch das Angebot der Landesgirokasse Stuttgart. Dort kann man sich neben einem Reiseservice, der beispielsweise aktuelle Reisezahlungsmittel-Empfehlungen für jedes Land parat hält, auch einen Veranstaltungskalender oder eine Hotlist mit aktuellen Meldungen aus den Bereichen Kultur, Wirtschaft und Wissenschaft betrachten. Ein weiterer Leckerbissen ist ein Immobilienservice, der virtuelle Besichtigungen erlaubt und auch Kaufgesuche anbietet. Zu den Highlights gehören jedoch sicherlich die professionellen Optionsstrategien, die ihre Abbildung in einem Portfolio wiederfinden, der täglich aktualisiert wird. Honoriert wird dieser gute Service mit stetig steigenden monatlichen Abfragezahlen (40.000 Hits im November 1995). Geplant ist eine baldige Abrundung des Informationsangebots in Richtung virtuelle Bank, da bei der LG Stuttgart die Beherrschung neuer Informationstechnologien weiterhin als ein entscheidender Wettbewerbsfaktor angesehen wird.

Auch die Münchener Direkt Anlage Bank ist auf der Datenautobahn zu finden. Dort findet man neben den allgegenwärtigen Informationen über Produkte und Preise auch einen Fragebogen und ein Börsenspiel. Auch Unterlagen zur Kontoeröffnung kann man anfordern. Für die Kunden soll bald die Möglichkeit bestehen, Überweisungen online zu tätigen. Mit welchen Sicherheitsmaßnahmen dies jedoch bewerkstelligt werden soll, stand aber bei Anfertigung dieser Arbeit noch nicht fest.

Es gibt noch einige andere interessante Links zu diesem Thema im WorldWideWeb, die Sie jedoch bitte aus dem Anhang entnehmen. Besonders hinzuweisen ist jedoch auf die beiden Seiten DINO - Banken und Finanzen und die Banking Forum Home Page, da von dort aus auf fast alle hier erwähnten Seiten verzweigt werden kann. Außerdem werden dort wohl in Zukunft am Frühesten neue Informationen zu finden sein, was man jedoch aufgrund der Schnellebigkeit des Netzes wohl nie mit Sicherheit sagen kann.

III. Ausblick

Kann dies nun alles sein, was man von so einem vielversprechendem Medium erwarten darf? Wohl kaum. Woran liegt es also, daß sich in Deutschland bis jetzt noch kein ernsthaftes Angebot gebildet hat?

Als erster Stelle sind da auf jeden Fall die noch nicht zufriedenstellend gelösten Sicherheitsprobleme auf der Datenautobahn zu nennen. Es gibt zwar schon die verschiedensten Verschlüsselungsalgorithmen, jedoch sind sie entweder zu unsicher oder für den eher unbedarften Anwender zu kompliziert zu gebrauchen. Manche leistungsstarke Programme wie z.B. Pretty Good Privacy (PGP) haben außerdem das Handicap in den USA unter das Waffenexportgesetz zu fallen. Der schon am Anfang erwähnte Sicherheitsmechanismus des WWW-Browsers Netscape genügt zwar schon täglichen Ansprüchen und wird dementsprechend derzeit schon von diversen amerikanischen Anbietern genutzt, jedoch wurde dieser Code auch schon mit relativ geringer Rechenleistung in annehmbarer Zeit geknackt. Zwar scheint es unwahrscheinlich, daß gerade ein solches Paket bei der Überwachung des Netzes durch diverse Hacker abgefangen wird und dann entschlüsselt wird, aber deutsche Entscheidungsträger sind bei diesen Themen wohl etwas vorsichtiger als ihre amerikanischen Kollegen. Niemand möchte das erste Opfer eines Datendiebstahls sein - der Imageschaden wäre auch kaum reparabel.

Eine Lösung könnte mit dem Abschluß der Entwicklungsarbeiten an IP Next Generation (offiziell IP Version 6) in Reichweite sein. Diese Weiterentwicklung des derzeitigen Protokolls mit der Versionsnummer 4 ist zwar hauptsächlich durch den langsam eng werdenden Adreßraum motiviert, bietet jedoch auch noch zusätzlich zwei voneinander unabhängige Sicherheitsfunktionen. Eine soll Informationen zur Überprüfung von Authentizität und Integrität bereitstellen, die andere als Träger von Informationen zur Implementierung von Verschlüsselungsverfahren dienen.

Eine andere Möglichkeit liegt in der Benutzung von Einmalpasswörtern, wie sie derzeit auch schon in T-Online in Form von TANs (Transaktionsnummern) genutzt werden. Der Kunde bekommt dabei eine bestimmte Anzahl geheimer TANs zugeschickt, welche nach einmaliger Benutzung die Gültigkeit verlieren. Das macht sie für potentielle Datendiebe unnützlich. Noch bequemer wäre es, die Einmalpasswörter vom Nutzer per geheimer mathematischer Reihen oder Challenge-Response-Verfahren (Frage-Antwort-Spiele; siehe 3) auf dem eigenen Computer generieren zu lassen.

Natürlich kann es nicht allein daran liegen, daß Deutschland bisher hinterherhinkt. In Deutschland waren bis vor kurzem allein die Hochschulen im Internet vertreten. Von Firmen war wenig zu sehen und wenn doch mal eine gesichtet wurde, dann war sie fast ausnahmslos in der Computerbranche angesiedelt. Die Dienstleistungsunternehmen sind erst vor kurzer Zeit dazu übergegangen, ihre Präsenz auch auf dieses Medium auszudehnen. Immer noch sind es im Gegensatz zu den USA jedoch fast nur große Konzerne, die man auf der deutschen Infobahn findet. Da die Investitionen für ein Internet-Angebot schwer zu überschauen sind, zögern viele kleinere Unternehmen noch mit ihren Aktivitäten. In diesem Bereich ist - wie so oft - in den USA sowohl im quantitativen als auch im qualitativen Bereich ein deutlicher Vorsprung zu verspüren. Es muß also aufgeholt werden. Das kann aber nur durch eine deutliche Forcierung der Aktivitäten auch hinter den Kulissen erfolgen.

Diese momentanen Mehrinvestitionen können sich aber sehr schnell lohnen. Der Kunde von morgen ist technisch versiert, mit aktuellstem Computerequipment ausgerüstet und ein im Umgang mit den neuen Medien vertrauter Mensch. Außerdem wird diese Generation, die man auch als die »Jungen Erben« bezeichnet, über ein beträchtliches Vermögen verfügen. Die Informationsmonopole der Banken werden aufgrund des neuen Informationszeitalters zunehmend wegfallen. Ob man bei diesen jungen Menschen mit den klassischen Vertriebsmethoden überhaupt noch erfolgreich sein kann, muß stark bezweifelt werden.

Im Gegensatz zu dieser Schaffung von »virtuellen Banken« im Internet, in denen Wohnort und Entfernung unbedeutend wird - ein Umzug würde nicht mehr den Wechsel der Bank nach sich ziehen -, müssen wohl mit zunehmender Weiterentwicklung hunderte von Filialen ihre Tore schließen und als Folge davon ein Großteil der Banker eine neue Arbeit suchen. Man spricht derzeit von ca. 20 Prozent der insgesamt 700.000 Bankangestellten.

IV. Danksagung

Zum Ende möchte ich mich noch bei den Mitarbeitern der diversen Banken für ihre mehr oder weniger ausführlichen Informationen zum Thema bedanken. Dies sind insbesondere:

Außerdem danke ich für seine Mühe noch dem Autor Jörg Birkelbach, wessen Tips ich wohl leider nicht mehr rechtzeitig erhalten werde.

IV. Anhang

Auswahl relevanter Adressen im Internet

V. Quellenverzeichnis

  1. Office Management 12/95

    Lutz Becker: Wie sicher ist die Datenautobahn

  2. c't Magazin für Computer und Technik 4/95

    Jörg Birkelbach: Kurswechsel

  3. c't Magazin für Computer und Technik 9/95

    Holger Reif: Netz ohne Angst

  4. c't Magazin für Computer und Technik 12/95

    Jörg Birkelbach: Hausmannskost

  5. Die Welt 25.10.95

    Jörg Birkelbach: Fonds-Shopping per Computer


Munich, 1995-12-30

Marco Dern, dern@coyote.muc.de