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Die Wissenschaft als selbstorganisierter Prozeß

DIE WISSENSCHAFT ALS SELBSTORG. PROZESS

Im Forschungsprozeß steht dem Denkzwang ein ebenso ausgeprägter Erkenntnisopportunismus gegenüber, dem grundsätzlich keine Grenzen von Meinungssystemen heilig sind.
[KK89, S.12,]

Es liegt nahe, die Entwicklung der Wissenschaft selbst als dynamischen Prozeß zu betrachten und zum Objekt der Chaosforschung zu machen [KK89].

Dazu ist es zunächst wichtig, einen neuen Begriff der Chaosforschung, die sog. autopoietischen Systeme einzuführen. Nach Stichweh [Sti87] sind autopoietische Systeme zunächst einmal autonom gif, d.h.:

Autopoietische Systeme zeichnen sich jedoch noch weitere Eigenschaften aus:

Stichwehs Hypothese ist, daß sich die Wissenschaft im letzten Jahrhundert zu einem autopoietischen System entwickelt hat. Eine Folgeerscheinung davon ist, daß ein wesentlicher Teil der Arbeit eines Wissenschaftlers darin besteht, Publikationen anderer zu lesen, diese zu zitieren und sich in der Wahl seiner Objekte und Methoden am allgemeinen Trend zu orientieren. Die Konfrontation mit der Natur geschieht dadurch indirekt --- vermittelt durch die vorhandene Wissenschaftsstruktur.

Die wichtigste Bedingung der Möglichkeit der Zirkularitätsunterbrechung moderner Wissenschaft ist die Entstehung eines eigenständigen Handlungstyps, der als operative Grundlage neben die Publikation als den kommunikativen Basisakt tritt und für den Wissenschaftler eine alltägliche Handlungswirklichkeit definiert.
Dieser Handlungstyp heißt Forschung, und "Forschung" als ein Begriff, der erst von der auf Selbstproduktion aller Wissenselemente umgestellten modernen Wissenschaft formuliert werden konnte, meint einen Umgang mit der Gegenstandsumwelt (Problemumwelt) der Wissenschaft unter dem absoluten Primat des Erkenntnisgewinns.
Wenn man handlungs- und personennah denkt - also nicht von der Ebene des Wissenschaftssystems her -, besteht die Wissenschaft eigentlich nur aus Forschung, und dies genau deshalb, weil Forschungshandeln die alltägliche Arbeitswirklichkeit des Wissenschaftlers bestimmt.
Rudolf Stichwehs farbiger Wortakkord [Sti87, S.468f.,]. Stichweh ist Schüler von Niklas Luhmann.



Werner Eberl
Sat Apr 15 13:17:50 MET DST 1995