Fachhochschule München
Fachbereich 13 AW
SS 1996

Seminararbeit

zur

Lehrveranstaltung

Seminar: Methoden der Chaosforschung

Herr Dr. Werner Eberl


Global Brain






	Verfasser:					Harald Krämer
Adresse / Tel.: Birkenweg 11a, 83109 Großkarolinenfeld,
08031-50223, 0177-3012482
E-Mail: kraemer@bv.rz.fh-muenchen.de
Fachbereich / Studiengang / Semester : 04 Elektrotechnik / Datentechnik / 5DT
Abgabetermin: 12.07.1996 12.00 Uhr

1. Allgemeines

1.1. Global Brain 1.2. Aufbau biologischer Gehirne 1.3. Analogie zwischen biologischen Gehirnen und einem "Global Brain" 1.4. Charakteristik eines "Global Brain" 1.4.1. Lokale und globale Verbindungen 1.4.2. Zell-Assemblies (Zell-Zusammengehörigkeit) 1.4.3. Verschiedene Regionen für bestimmte Funktionen 1.4.4. Unterschiedliche Formen der Informationsübertragung

2. Arbeiten mit einem Modell, das ein "Global Brain" benutzt

2.1. Definieren der grundsätzlichen Ziele 2.2. Beschaffung qualitativer Informationen 2.3. Kreieren eines strukturellen Modells 2.4. Definieren von Teil-Bereichen innerhalb der strukturellen Modells 2.5. Beschaffung von quantitativen Daten 2.6. Verknüpfung der Daten und des Simulations-Modells in ein Netzwerk 2.7. Durchführung der Simulation und der Empfindlichkeitsanalyse 2.8. Vergleich der Informationen und Beurteilung bezüglich dem Ziel

3. Schlußbemerkung 4. Literaturverzeichnis


1. Allgemeines

Viele Wissenschaftler und Chaosforscher versuchen seit langer Zeit eine Modellierungs-Vorlage zu finden, die eine genauere Aussage über sich ständig ändernde und unvorhersehbare Umgebungen erlauben. Herkömliche Modelle, wie solche, die zu den Club-of-Rome Studien [1, 2] verwandt sind, benutzen geschlossene Systeme von Variablen, Parametern und Gleichungen. Solche Modelle haben sich für Probleme, wie z. B. zur Krisenbewältigung in einem globalen Rahmen als unzuverlässig erwiesen. So versuchen nun Gottfried Mayer-Kress und Cathleen Barczys [3, 4] ein Modell zu finden, das analog zu unserem Gehirn arbeitet. Es wird also ein Modell gesucht, das anpassungsfähiger ist, sich weiterentwickeln kann und sich an nichtlinearen und unausgeglichenen Systemen orientiert. Hier wird nun untersucht, wie ein System von weltweit miteinander verbundenes Netzwerk von Computern zu einem Auftreten einer selbstorganisierten Struktur führen kann und wie man eine solche Struktur zur Modellfindung benutzen kann.

1.1. Global Brain

Ein global und festmiteinander verbundenes Netzwerk von Computern, wie das Internet, kann zum Auftreten einer globalen, selbstorganisierten Struktur führen, die P. Russel [5] als "Global Brain" bezeichnet. Solche Strukturen haben Ähnlichkeiten in der Funktion, wie biologische Gehirne komplexe Probleme lösen. Die Ähnlichkeit dieser Funktionsweisen soll erläutert werden und eine 8-schrittige Prozedur, die es ermöglicht, Modelle zu konstruieren, die ein Global Brain benutzen, soll vorgestellt werden. Außerdem wird gezeigt, wie man solche Modelle zur Krisenbewältigung benutzen kann.

1.2. Aufbau biologischer Gehirne

In der Hirnrinde (Neokortex) des menschlichen Gehirns befinden sich 1010 Neuronen, die für Prozesse, wie Lernen, Speichern, Denken und Problembewältigung verantwortlich sind. Die Nervenzellen bilden ein Netzwerk, die mit einer Kombination von elektromagnetischen und biochemischen Prozessen miteinander kommunizieren. Die Dendriten (d) erhalten Informationen von 104 bis 105 anderen Neuronen und transportieren sie zum Zellkörper. Der Zellkörper enthält eine Reiz-Zone, die die Eingangssignale verarbeitet und Ausgangssignale veranläßt. Das Axon (a) bringt das Ausgangssignal wiederum zu 103 anderen Neuronen. Die Eingangssignale werden über die Synapsen (s) geleitet, und durch diese verstärkt oder abgeschwächt, jenachdem wie das "Neuronale Netz" gelernt hat. Weiterhin gibt es Neuronen mit kurzen Dendriten und Axiomen, so daß ihre Ein- und Ausgänge örtlich sind. Andere hingeben reichen bis in andere Regionen des Gehirns, so daß ihre Wechselwirkung mehr verteilt ist.

1.3. Analogie zwischen biologischen Gehirnen und einem "Global Brain

Vergleicht man nun ein biologisches Gehirn mit einem Global Brain - ein selbstorganiesierendes Informationsverarbeitungs-System - ,wie es nach Gottfried Mayer-Kress das Internet ist, entspricht der Benutzer mit seinem Computer/Workstation dem Neuron als zentralem Kern. Die Verbindungen zwischen ihnen stellen die Satelliten-, Telefon- oder Glasfaserleitungen, analog zu den Dendriten und den Axiomen dar. Über diese Leitungen wird die elementare Form der Information, die Nachricht oder das Packet, geschickt. In einem biologischen Gehirn sind die elementaren Formen der Informationsübertragung die biochemischen und elektromagnetischen Prozesse.

1.4. Charakteristik eines "Global Brain"

Ein solches Global Brain weist nun, wie es von biologischen Gehirnen bekannt ist, folgende Charakteristiken auf:

1.4.1. Lokale und globale Verbindungen

Ein Global Brain weist ebenso, wie ein biologisches Gehirn Neuronen mit kurzen und langen Dendriten/Axiomen, lokale und globale Verbindungen auf. Lokale Verbindungen sind beispielsweise die Verbindungen eines lokalen Netzwerks (LAN) an Institutionen wie Fachhochschulen oder Universitäten.

1.4.2. Zell-Assemblies (Zell-Zusammengehörigkeit)

In einem neuronalen Netz werden Informationen durch miteinander verbundene Neuronengruppen gespeichert. Solche Neuronengruppen bezeichnet man als "Assemblies". Bei Auftreten eines bestimmten Ereignisses wird nun eine Neuronengruppe aktiviert, die dann die einkommende Information verarbeitet. 1 In dem Global Brain Zusammenhang würden die verschiedenen Benutzer-Gruppen, die sich gebildet haben, und auf ein bestimmtes Ereignis reagieren, zu den Zell-Assemblies äquivalent.

1.4.3. Verschiedene Regionen für bestimmte Funktionen

Das Vorhandensein von verschiedenen Regionen in einem menschlichen Gehirn, die für unterschiedliche Aufgaben verantwortlich sind, entspricht der geographischen Lage der verschiedenen Institutionen, die für verschiedene Aufgaben verantwortlich sind.

1.4.4. Unterschiedliche Formen der Informationsübertragung

Das Gehirn eines Menschen benutzt zur Informationsübertragung verschiedene Möglichkeiten. Zum einem elektromagnetische und zum anderen biochemische Prozesse. Ein Netzwerk, wie das Internet, benutzt analog dazu mehrere Formen zur Informationsübermittlung. Dies sind beispielsweise akustische und visuelle Signale oder als einfachste Form, Text.


2. Arbeiten mit einem Modell, das ein "Global Brain" benutzt

Ein Global Brain, das die oben aufgeführten Eigenschaften besitzt, kann nun benutzt werden, ein Modell zur Problemlösung zu erstellen. Im Folgenden soll ein 8-schrittiger Prozeß vorgestellt werden, der es ermöglicht ein Modell zu bilden, das ein "Global Brain" verwendet. Solche Modelle können dann zur Problem- oder Krisenbewältigung eingesetzt werden. Diese Prozedur soll anhand der Bosnien-Krise erläutert werden.

2.1. Definieren der grundsätzlichen Ziele

Der erste Schritt zur Modellfindung ist die Definierung der grundsätzlichen Ziele, dazu werden die Probleme identifiziert. Im Zusammenhang mit der Bosnienkrise wären die hauptsächlichen Ziele für UN beispielsweise: - Verhinderung von Verletzung der internationalen, menschlichen Rechte - Minimierung des Leidens von Zivilbevölkerung - Verhinderung von Heckenschützen und schweren Waffen - Unterstützung der Versorgung von ziviler Bevölkerung mit menschenfreundlicher Hilfe

2.2. Beschaffung qualitativer Informationen

Im Folgenden werden qualitative Informationen zu dem gegenwärtigen Status des Problems beschafft. Diese Informationen können sowohl aus herkömmlichen Quellen, wie persönliche Kontakte oder Bibliotheken, wie auch aus News Groups und Mail-Listen, die sich auf die zu betrachtende Region konzentrieren (Bosnet, Croatian-News oder VREME), bezogen werden. So kann auf herkömmlichen Wege oder durch Informationsbeschaffung aus einem Computernetzwerk eine Meinungsumfrage bezüglich dem untersuchten Problem gemacht werden.

2.3. Kreieren eines strukturellen Modells

Um ein strukturelles Modell des integrierten Systems zu bilden, geht man von folgenden Fragen (im Bosnien Zusammenhang) aus: -Wer sind die hauptsächlichen Beteiligten in dieser Krise ? -Wie beeinflussen sich die Beteiligten untereinander ? -Welches sind die externen Parameter, die die Entscheidungen der Beteiligten beeinflussen ? Die Beantwortung diese Fragen und die Antworten in eine strukturierte Form (graphisch oder symbolisch) gebracht, würde dann zu einem strukturellen oder grundsätzlichem Modell führen. Zu der Frage: Wer sind die hauptsächlichen Beteiligten ? gibt es beispielsweise vier verschiedene Wege, wie die Beteiligten eingeteilt und in mehrere verschiedene Kategorien in jeder Gruppe aufgeteilt werden können.

2.4. Definieren von Teil-Bereichen innerhalb der strukturellen Modells

Anschießend werden innerhalb des strukturellen Modells Teil-Bereiche definiert, mit denen eine quantitative Näherung ein vielversprechendes Ergebnis liefern könnten. Das nun gefundene quantitative Modell wäre im Bosnien-Zusammenhang beispielsweise aus 18 Millionen interaktiven Einheiten mit unterschiedlichen Entscheidungsmustern, die die 18 Millionen Serben, Kroaten und Bosnier repräsentieren, zusammengesetzt.

2.5. Beschaffung von quantitativen Daten

Nun müssen quantitative Daten beschafft werden, die sich mit der Lösung eines Teil-Problems beschäftigen. Diese Informationen können aus den zahlreichen verschiedenen Diensten, die im Internet angeboten werden (WWW, WAIS, FTP, Archie, ...) beschafft werden.

2.6. Verknüpfung der Daten und des Simulations-Modells in ein Netzwerk

Das nun erstelle Modell mit den gefundenen Daten wird jetzt in ein voneinanderabhängigem, verbreitetem Netzwerk verknüpft. Die Daten beinhalten qualitative Quellen (wie News Groups und Mail-Verteiler), also auch die quantitativen Quellen. Das Modell wird ständig mit neuen Informationen aus dem Netzwerk aufgefrischt, so daß mein ein globales und dynamisches Modell erhält.

2.7. Durchführung der Simulation und der Empfindlichkeitsanalyse

Wenn die Daten und das Modell in ein Netzwerk eingebunden wurden, dann kann die Simulation durchgeführt werden und eine Empfindlichkeitsanalyse durchgeführt werden. In einem Pilot-Projekt [9] war das Modell ein Konten des Netzwerks und ein Programm zum Anbinden eins Silicon Graphik Computers ein anderer Konten, um die Ergebnisse zu visualisieren. Nachdem eine hohe Anzahl von Szenarien simuliert wurde, und die Ergebnisse auf mehrdimensionalen Graphen zusammengefaßt wurden, konnte aus dem Graph abgelesen werden, ob der Waffen-Wettstreit zwischen drei Nationen grenzenlos weiter ging, oder ob verschiedenen möglichen Bündnisse zusammenbrechen.

2.8. Vergleich der Informationen und Beurteilung bezüglich dem Ziel

Die nun gewonnenen Ergebnisse können jetzt, mit den Zielen spezifiziert in 1), verglichen werden


3. Schlußbemerkung

Wie schon in der Einleitung erwähnt, sind traditionelle Modelle nicht dazu geeignet, um zu solchen globalen und komplexen Situationen, noch ein vielversprechende Ergebnis zu erlangen. Der Grund liegt darin, daß solche Modelle als elementare Einheit beispielsweise Truppen in einem Krieg oder die Anzahl der Waffen als elementare Einheit benutzen. Der Vorteil eines Modells, das ein "Global Brain" benutzt ist, daß es als elementare Einheit den individuellen Beteiligten der Krise als kleinste Einheit benutzt. Solche Modelle hätten z.B. von der NATO in Bosnien eingesetzt werden, um herauszufinden, wie die Krise mit dem geringsten Aufwand und den wenigsten Verletzten beendet werden hätte können. Eine wirkliche Anwendung eines solchen Modells gibt es laut Gottfried Mayer-Kress noch nicht, es handelt sich bisher nur um theoretische Überlegungen.


4. Literaturverzeichnis

[1] Medows, et al. Dynamicsof Growth in a Finite World. Wright-Allen Press, 1974. Now distributed by Productivity Press, Cambridge, MA.
[2] D.H., Meadows, D.L. Meadows, and J. Randers. Beyond the Limits. Chelsea Green Publishing, Post Mills, VT, 1992.
[3] Gottfried Mayer-Kress, Cathleen Carczys, "The Global Brain as a Modeling Paradigm for Criris Managment", Center for Complex Research, Beckman Institute,Physics Dept. UIUC http://www.ccsr.uiuc.edu/People/gmk/Papers/GlobalBrain/GBCM-TO.ps.Z
[4] Gottfried Mayer-Kress, "Global Brain as Paradigm for a Complex Adaptiv World" ", Center for Complex Research, Beckman Institute, Physics Dept. UIUC; http://www.ccsr.uiuc.edu/~gmk/Papers//EvolvCompl.htmd/EvolvCompl.ps.gz
[5] P. Russel, The Global Brain: speculations on the evolutionary leap to planetary consciosness, Houghton Mifflin, Bostin, MA, 1983.
[6] W. Kinnenbrock, "Neuronale Netze", Grundlagen, Anwendungen, Beispiele; R. Oldenburg Verlag München Wien 1994
[7] Norbert Hoffmann, "Neuronale Netze", Anwendungsorientiertes Wissen zum Lernen und Nachschlagen; Braunschweig; Wiesbaden : Vieweg 1993
[8] Eberhard Schöneburg, Nikolaus Hansen, Andreas Gawelczyk, "Neuronale Netzwerke", Einführung, Überblick und Anwendungsmöglichkeiten; Haar bei München : Markt- und Technik-Verlag 1990
[9] G. Mayer-Kress, Nonlinear Dynamics and Chaos in Arms Race Models, Proc. Third Wood- ward Conference: "Modelling Complex Systems", Lui Lam (ed.), SaJose, 4/12-13/91.

Harald Krämer, kraemer@bv.rz.fh-muenchen.de, 07.07.1996