next up previous contents
Next: Ziele der Modellbildung Up: Einleitung: Modelle nichtlinearer Previous: Einleitung: Modelle nichtlinearer

Diskrete Abbildungen in der Chaosforschung

Die Erforschung nichtlinearer Systeme, die seit Li und Yorke [LY75] auch gerne als Chaosforschung bezeichnet wird [Gle88],   erfuhr in den letzten Jahren einen bemerkenswerten Aufschwung. Durch die zunehmende Verbreitung von elektronischen Rechenanlagen mit beachtlicher numerischer und grafischer Leistungsfähigkeit wurde es möglich, an Stelle von linearisierten Systemen die originalen, nichtlinearen Gleichungen zu untersuchen [RH82].   Einen Überblick über die Entwicklung der nichtlinearen Forschung geben [Swi83], [LP88], [BPV84], [Jac88]. Mittlerweile existieren auch speziell für dieses Fachgebiet erarbeitete Lexika [Ste91], [ESH92], sowie Arbeiten zur didaktischen Umsetzung der Erkenntnisse der Chaosforschung in die Ausbildung [Wor92], [SH92].

Der Zweig der Chaosforschung, der sich mit diskreten nichtlinearen Systemen beschäftigt, konnte in den letzten Jahren bedeutende Erkenntnisse über deren komplexes Verhalten beitragen. Dazu zählen z. B. die Entdeckung universeller Szenarien beim Übergang ins Chaos [Fei83], Methoden zur Charakterisierung des Langzeitverhaltens diskreter Systeme durch Lyapunov -Spektren [ER85] und fraktale Dimension [CE80], sowie zur Steuerung diskreter Systeme [JH90].

In dieser Arbeit werden vor allem Fragestellungen untersucht, die physikalische Anwendungen von Poincaré -Abbildungen betreffen, insbesondere die Vorhersage und Steuerung nichtlinearer Oszillatoren. Poincaré -Abbildungen scheinen dafür besonders geeignet, weil sie oft erheblich einfacher als die zugrundeliegende Differentialgleichung sind. Beispielsweise ergibt sich für einen einfachen konservativen Oszillator als Poincaré -Abbildung die identische Abbildung. Allgemein besitzen Poincaré -Abbildungen eine um eins geringere Dimension als die Differentialgleichung . Aufgrund ihrer diskreten Natur eignen sie sich hervorragend zur Simulation mit digitalen Computern.

Physikalische Anwendungen führen im Regelfall auf kontinuierliche nichtlineare Probleme. Beispielsweise lassen sich aus Grundgleichungen wie den Navier-Stokes- oder den Hamilton-Gleichungen gewöhnliche Differentialgleichungen für die Dynamik von mechanischen Systemen herleiten [LL69]. ,,In dieser Klasse ist die Wahrscheinlichkeit Null, daß ein blind herausgegriffenes System lösbar ist im Sinne eines Lehrbuchbeispiels`` [EMK83, G.Eilenberger, Seite X-4,].

Die entscheidende Schnittstelle zwischen der physikalischen Welt der Differentialgleichungen und den gut studierbaren diskreten Systemen ist die analytische Berechnung von zeitdiskreten Modellen aus kontinuierlichen. Sie soll in dieser Arbeit erläutert werden.

Dabei ist zu unterscheiden zwischen Systemen, die mit relativ wenigen Freiheitsgraden modelliert werden können und solchen, für deren Modellierung viele Freiheitsgrade benötigt werden. Im ersten Fall  muß man sich bei der Beschreibung der Dynamik entweder darauf verlassen, daß fast alle Freiheitsgrade vollständig von sehr wenigen versklavt werden; oder man verwendet ein niederdimensionales Modell mit einem Rauschterm, der die Wirkung der nicht ganz versklavten Freiheitsgrade beschreibt.

Offensichtlich braucht man Methoden, die diesen Rauschterm quantifizieren können. Dabei kann nicht davon ausgegangen werden, daß dieses Rauschen normalverteilt sein muß. Wenigstens die nächsten Momente der Verteilung sollte man mitabschätzen können.

Systeme, bei denen eine Beschreibung mit wenigen Freiheitsgraden versagt, sind z. B. Systeme mit raum-zeitlicher Dynamik. Werden zu deren Modellierung partielle Differentialgleichungen verwendet, kann es passieren, daß diese Gleichungen unlösbar und deshalb auch nicht überprüfbar sind [Wol86, Kap.1,]. Das gilt in bestimmten Fällen auch für numerische Lösungsansätze [Roa72].

Optimal auf den Computer zugeschnitten sind sog. zelluläre Automaten [FTW83]  oder ,,Locally Coupled Maps`` [Kan89,Kan90]. Mit zellulären Automaten kann man Phänomene aus der Natur mit raum-zeitlicher Dynamik modellieren [Wol86]. Die Simulation der zellulären Automaten gelingt auf einem Computer exakt, ohne Fehler wie etwa Diskretisierungsfehler. Alle Abweichungen zwischen Simulation und Realität müssen demnach in der Modellbildung begründet sein. Die Qualität eines Modells läßt sich damit direkt durch einen Vergleich des Simulationsergebnisses mit der tatsächlich eingetretenen Entwicklung in der Natur bestimmen. Die Algorithmen für die zellulären Automaten sind in hohem Maße parallelisierbar [TM87], so daß in kurzer Zeit viele Simulationen durchgeführt werden können.

Die zellulären Automaten werden immer auf einem Gitter gerechnet. Die Geometrie des Gitters überträgt sich dabei normalerweise auf die Geometrie der Lösung [BE91]. In der Regel ist dies unphysikalisch, so daß einige Forscher zu sog. ,,random lattices`` übergegangen sind [MH90]. Die fehlende Gittersymmetrie erfordert jedoch schwer handhabbare Modifikationen in den Regeln der Automaten. In dieser Arbeit wird gezeigt, daß man stochastische Elemente auch in den Zeitverlauf einbauen kann, womit man diese Nachteile vermeiden kann.



next up previous contents
Next: Ziele der Modellbildung Up: Einleitung: Modelle nichtlinearer Previous: Einleitung: Modelle nichtlinearer



Werner Eberl
Fri Apr 14 00:36:50 MET DST 1995